EIN KÖNIGLICHER SOMMERNACHTSTRAUM

Hoftheater im Seidlpark 1910

Hoftheater im Seidlpark 1910

1910 war ein Jahr mit Pauken und Trompeten für den Architekten Emanuel von Seidl. Er hatte Erfolg über Erfolg: diverse Wohnhäuser in München, seine Bauten der Deutschen Abteilung auf der Weltausstellung in Brüssel sind sein größter Auftrag und machen ihn europaweit bekannt. Er beteiligt sich am Pariser Herbstsalon. Der Druckknopf- und Stricknadelfabrikant Prym wünscht sich von ihm eine schlossartige Villa bei Aachen. Der Auftrag für den Tierpark Hellabrunn fällt ihm zu. In Murnau entsteht die Mädchenschule neben der Kirche, in Hechendorf der Bahnhof, praktisch sein privater Bahnhof. Wie er das alles schafft, ist ein Rätsel.

Aber in diesem Jahr lässt er es krachen. Er gibt sein eigenes Buch heraus „Mein Landhaus", seine hinreißende Villa, sein wunderbarer Park in Murnau als Aushängeschild für weitere Auftraggeber. Am 22. August wird er 54 Jahre alt und er will feiern, wie noch nie vor ihm und nie nach ihm einer in Murnau gefeiert hat. Noch Jahre später schwärmen Seidl und seine Freunde von diesem Fest.

Am schönsten erzählt davon der Theaterdirektor Georg Fuchs 1936, mit einer Begeisterung, als wäre es gestern gewesen: „Einmal, während eines total verregneten Sommers, als alle Welt vor Nässe und Kälte aus den Sommerfrischen flüchtete, kam der Emi zu mir ins Künstlertheater, wo der mit den ausgesucht besten Darstellern Deutschlands besetzte ‚Sommernachtstraum' das Entzücken der in- und ausländischen ‚Kulturelite' erregte [...]". Es war übrigens eine Inszenierung von Max Reinhardt mit dem schon damals berühmten Alexander Moissi als Oberon und mit der Musik von Mendelssohn.

„Was aber wollte der Emi, dieser Unmensch? – Er wollte weiter gar nichts, als der gerade zum Besuch bei ihrer Mutter, der Herzogin Karl Theodor, weilenden Königin der Belgier in Murnau ein Gartenfest geben, und dabei müsste der Sommernachtstraum in der Star-Besetzung des Künstlertheaters im Park aufgeführt werden. Das ganze Darstellerensemble samt Tänzerinnengruppe und Orchester sei für die zwei Tage und Nächte der Proben und der Aufführung sein lieber Gast [...] . Es war so kalt, dass man Tag für Tag erwartete, dass es zum Schneien käme, und regnete, regnete, wie der Narr im Nachgesang zu Shakespeares ‚Was ihr wollt' so trübsinnig klagend summt: 'Und der Regen, der regnet jeglichen Tag [...]'.
Allein jeder Versuch, dem Emi diese ‚hirnrissige' Idee auszureden, scheiterte kläglich an seinem Dickschädel. – ‚Ich, wenn will, nacher ist das Wetter gut! – Verstehns mich, Sie – ? – Ich verbitt' mir jeden Zweifel! – Zweifel schwächt nur! – Wollen muss man halt! – Das müsst doch mit dem Teufel zugehn, wenn mir mit die armseligen Spirigankerln, die das Hundswetter machen, net fertig würden!' –

Und, ob man's glaubt oder nicht: Er wurde tatsächlich mit den Wind- und Wolken-Dämonen glänzend fertig! Er tat, als ob sie gar nicht da wären; und ob es schon immer weiter goss und goss: er traf seine umfangreichen, tausende von Mark verschlingenden Vorbereitungen, wie wenn es überhaupt kein Wetter gäbe [...] Und weil eine Königin seinen Ansprüchen nicht genügte, lud er sich gleich noch eine zweite dazu ein; das war die schon hochbetagte Königin Marie von Neapel, auch eine geborene bayerische Herzogin und Tante der belgischen Königin [...]

1910 war ein Jahr mit Pauken und Trompeten für den Architekten Emanuel von Seidl. Er hatte Erfolg über Erfolg: diverse Wohnhäuser in München, seine Bauten der Deutschen Abteilung auf der Weltausstellung in Brüssel sind sein größter Auftrag und machen ihn europaweit bekannt. Er beteiligt sich am Pariser Herbstsalon. Der Druckknopf- und Stricknadelfabrikant Prym wünscht sich von ihm eine schlossartige Villa bei Aachen. Der Auftrag für den Tierpark Hellabrunn fällt ihm zu. In Murnau entsteht die Mädchenschule neben der Kirche, in Hechendorf der Bahnhof, praktisch sein privater Bahnhof. Wie er das alles schafft, ist ein Rätsel.

Aber in diesem Jahr lässt er es krachen. Er gibt sein eigenes Buch heraus „Mein Landhaus", seine hinreißende Villa, sein wunderbarer Park in Murnau als Aushängeschild für weitere Auftraggeber. Am 22. August wird er 54 Jahre alt und er will feiern, wie noch nie vor ihm und nie nach ihm einer in Murnau gefeiert hat. Noch Jahre später schwärmen Seidl und seine Freunde von diesem Fest.

Am schönsten erzählt davon der Theaterdirektor Georg Fuchs 1936, mit einer Begeisterung, als wäre es gestern gewesen: „Einmal, während eines total verregneten Sommers, als alle Welt vor Nässe und Kälte aus den Sommerfrischen flüchtete, kam der Emi zu mir ins Künstlertheater, wo der mit den ausgesucht besten Darstellern Deutschlands besetzte ‚Sommernachtstraum' das Entzücken der in- und ausländischen ‚Kulturelite' erregte [...]". Es war übrigens eine Inszenierung von Max Reinhardt mit dem schon damals berühmten Alexander Moissi als Oberon und mit der Musik von Mendelssohn.

„Was aber wollte der Emi, dieser Unmensch? – Er wollte weiter gar nichts, als der gerade zum Besuch bei ihrer Mutter, der Herzogin Karl Theodor, weilenden Königin der Belgier in Murnau ein Gartenfest geben, und dabei müsste der Sommernachtstraum in der Star-Besetzung des Künstlertheaters im Park aufgeführt werden. Das ganze Darstellerensemble samt Tänzerinnengruppe und Orchester sei für die zwei Tage und Nächte der Proben und der Aufführung sein lieber Gast [...] . Es war so kalt, dass man Tag für Tag erwartete, dass es zum Schneien käme, und regnete, regnete, wie der Narr im Nachgesang zu Shakespeares ‚Was ihr wollt' so trübsinnig klagend summt: 'Und der Regen, der regnet jeglichen Tag [...]'.
Allein jeder Versuch, dem Emi diese ‚hirnrissige' Idee auszureden, scheiterte kläglich an seinem Dickschädel. – ‚Ich, wenn will, nacher ist das Wetter gut! – Verstehns mich, Sie – ? – Ich verbitt' mir jeden Zweifel! – Zweifel schwächt nur! – Wollen muss man halt! – Das müsst doch mit dem Teufel zugehn, wenn mir mit die armseligen Spirigankerln, die das Hundswetter machen, net fertig würden!' –

Und, ob man's glaubt oder nicht: Er wurde tatsächlich mit den Wind- und Wolken-Dämonen glänzend fertig! Er tat, als ob sie gar nicht da wären; und ob es schon immer weiter goss und goss: er traf seine umfangreichen, tausende von Mark verschlingenden Vorbereitungen, wie wenn es überhaupt kein Wetter gäbe [...] Und weil eine Königin seinen Ansprüchen nicht genügte, lud er sich gleich noch eine zweite dazu ein; das war die schon hochbetagte Königin Marie von Neapel, auch eine geborene bayerische Herzogin und Tante der belgischen Königin [...]

Um die beiden Königinnen nun sollte sich ein glanzvoller Kreis von Fürstlichkeiten und anderen hochstehenden Persönlichkeiten, berühmten Künstlern mit ihren schönen Frauen und Töchtern scharen: mit dem Darsteller-, Orchester-, Garderobe- und sonstigen Personal eine mehrhundertköpfige und meist doch auch recht anspruchsvolle Menge, von der niemand sich vorstellen konnte, was aus ihr werden sollte, wenn's regnete; - und ‚der Regen, der regnete jeglichen Tag'. Wir hatten das Gefühl, mit Freund Seidl einer unvorstellbaren Katastrophe zuzutreiben."

Aber unbeirrbar hat Seidl Programme gedruckt und eingeladen ins „Naturtheater im Gelobten Land", wie er seinen Murnauer Besitz immer nannte. Nun, fast alles ist Seidl in seinem Leben gelungen – „Wollen muss man halt!" - das Murnauer Wunder geschah, mit dem Augenblick, erzählt Georg Fuchs weiter, „in dem wir zu den Proben in seinen Park einzogen, taten sich die Wolkentore auf, und das schöne Loisachtal lag im seligsten Sonnenschein vor uns, umrandet von den bis weit herab von Neuschnee weiß leuchtenden Gebirgen [...] – ‚Wo – ?' sagte Seidl, als er uns begrüßte, mit einer lässig hinausdeutenden Gebärde; und das war alles, was er sagte [...]".

Das Spiel begann in der Dämmerung an der rauschenden Schlucht, führte durch den ganzen Park, und endete mit dem mit Fackeln wanderden Publikum an den Weihern. Zu seinem Glück musste Seidl aus Termingründen sein Geburtstagsfest auf den 28. August verschieben, einen Sonntag. Und so krönten das Schauspiel am Ende Böllerschüssse und Freudenfeuer auf den Bergen zu Ehren König Ludwigs, „wonach denn [...] Gäste und Mitwirkende, geleitet von der Kinderwelt, den Burschen und Mädchen der nahen Ortschaften in ihren Trachten, zum festlichen Mahl und Tanz auf die Terrasse des Herrnhauses hinanzogen."

Die Schauplätze hatte wohl auch Seidl mit vorgeschlagen, in seinem nie versagenden Selbstbewusstsein erzählt er 1919 stolz vom „Sommernachtstraum, den Reinhardt und ich inszenierten." – Theater ist Schall und Rauch. Geblieben sind ein paar vergilbte Photographien, ein Programmzettel und die lädierte Herme mit dem Kopf Shakespeares und dem eingemeißelten Datum. Vielleicht ist Max Reinhardt an diesem Abend die Idee gekommen, seine Salzburger Festspiele auch an Schauplätzen im Freien aufzuziehen, jedenfalls hat Moissi jahrelang den Jedermann vor der Domfassade gespielt.

Text und Bilder: Förderverein Murnauer Parklandschaft e.V., Menschen Helfen e.V., Schlossmuseum Murnau

Um die beiden Königinnen nun sollte sich ein glanzvoller Kreis von Fürstlichkeiten und anderen hochstehenden Persönlichkeiten, berühmten Künstlern mit ihren schönen Frauen und Töchtern scharen: mit dem Darsteller-, Orchester-, Garderobe- und sonstigen Personal eine mehrhundertköpfige und meist doch auch recht anspruchsvolle Menge, von der niemand sich vorstellen konnte, was aus ihr werden sollte, wenn's regnete; - und ‚der Regen, der regnete jeglichen Tag'. Wir hatten das Gefühl, mit Freund Seidl einer unvorstellbaren Katastrophe zuzutreiben."

Aber unbeirrbar hat Seidl Programme gedruckt und eingeladen ins „Naturtheater im Gelobten Land", wie er seinen Murnauer Besitz immer nannte. Nun, fast alles ist Seidl in seinem Leben gelungen – „Wollen muss man halt!" - das Murnauer Wunder geschah, mit dem Augenblick, erzählt Georg Fuchs weiter, „in dem wir zu den Proben in seinen Park einzogen, taten sich die Wolkentore auf, und das schöne Loisachtal lag im seligsten Sonnenschein vor uns, umrandet von den bis weit herab von Neuschnee weiß leuchtenden Gebirgen [...] – ‚Wo – ?' sagte Seidl, als er uns begrüßte, mit einer lässig hinausdeutenden Gebärde; und das war alles, was er sagte [...]".

Das Spiel begann in der Dämmerung an der rauschenden Schlucht, führte durch den ganzen Park, und endete mit dem mit Fackeln wanderden Publikum an den Weihern. Zu seinem Glück musste Seidl aus Termingründen sein Geburtstagsfest auf den 28. August verschieben, einen Sonntag. Und so krönten das Schauspiel am Ende Böllerschüssse und Freudenfeuer auf den Bergen zu Ehren König Ludwigs, „wonach denn [...] Gäste und Mitwirkende, geleitet von der Kinderwelt, den Burschen und Mädchen der nahen Ortschaften in ihren Trachten, zum festlichen Mahl und Tanz auf die Terrasse des Herrnhauses hinanzogen."

Die Schauplätze hatte wohl auch Seidl mit vorgeschlagen, in seinem nie versagenden Selbstbewusstsein erzählt er 1919 stolz vom „Sommernachtstraum, den Reinhardt und ich inszenierten." – Theater ist Schall und Rauch. Geblieben sind ein paar vergilbte Photographien, ein Programmzettel und die lädierte Herme mit dem Kopf Shakespeares und dem eingemeißelten Datum. Vielleicht ist Max Reinhardt an diesem Abend die Idee gekommen, seine Salzburger Festspiele auch an Schauplätzen im Freien aufzuziehen, jedenfalls hat Moissi jahrelang den Jedermann vor der Domfassade gespielt.

Text und Bilder: Förderverein Murnauer Parklandschaft e.V., Menschen Helfen e.V., Schlossmuseum Murnau